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Die einem Einzelnen zugefügte Ungerechtigkeit ist eine Bedrohung für uns alle | ||||||||||||||||||
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Der Zwiespalt zwischen der ureigenen indigenen Kultur und der
kolonialen Kultur, die in den Lebensraum eindrang und eindringt, führt
zu Orientierungslosigkeit. In die Gesellschaft der Restbevölkerung Brasiliens sind die Indigenen nicht integrierbar, was jahrhundertelange Bemühungen zeigen. Die Rückkehr zur ureigenen Kultur ist durch die Veränderungen der äußeren Konditionen nicht mehr möglich. Eine neue Identität des indigenen Volkes ist nötig, um die Lebensbedingungen der Guarani – Kaiowá – Indigenen dauerhaft zu verbessern. |
Im Zwiespalt der Kulturen eine Identität zu finden, soll durch die Projekte der Indiopastoral möglich werden.
Der Kontakt zu Geld als Zahlungsmittel und zum Kapitalismus der Weißen
hat das indigene Prinzip der Reziprozität gestört, welches durch
Austausch und Teilen der vorhandenen Güter das Überleben aller und
die gerechte Verteilung von Lebensmitteln sicherte. Die Beschäftigung
außerhalb der Reservate, der Bezug von Lohn und Renten und der Bedarf
von Konsumgütern, v. a. Lebensmitteln, ersetzen den Austausch von Gütern
innerhalb der indigenen Gemeinschaft. Der Mangel an Gütern in den
Aldeias unterstützt den Prozess.
Die Projekte der Indiopastoral fördern den traditionellen Gedanken
des Austauschs und gemeinschaftlichen Lebens: unterstützt werden
lediglich Gruppen von Indigenen, keine Einzelpersonen. Das Prinzip der
Arbeit lautet: „Indio hilft Indio, dann hilft Frei Alido Indio.“[1].
Die Beschaffung von Material für die Projekte muss bezahlt werden mit
der Arbeitskraft der Indigenen und dem Verkauf von angepflanztem
Maniok.
Ein der traditionellen Kultur und dem kapitalistischen System
angemessener Umgang mit Arbeit, Geld und Austausch soll gefunden
werden.
„Absolut notwendige Grundlage für das Überleben der Guarani ist ausreichender, juridisch abgesicherter, gemeinschaftlicher Landbesitz jeder Gemeinde. Alle anderen Maßnahmen, wie zum Beispiel gesundheitliche Betreuung, Bildungsprogramme, Betreuungen durch verschiedenste Missionsstationen oder staatliche Indianerdienste, können bestenfalls auf Zeit etwas zu ihrem Überleben beitragen.“ (Friedl Grünberg) [2]
Der
Verlust von Land – dem Boden der Vorfahren – ist für NGOs und
Ethnologen der Grund für einen großen Teil der Konflikte und
Probleme der Guarani – Kaiowá – Indigenen, insbesondere für die
hohe Suizidrate.
Somit ist es primäres Ziel der Indigenen, auf das Land ihrer
Vorfahren zurückzukehren und dort nach ihrer „Art zu sein“ zu
leben, auf dem „Tekohá“.
Die Rückgewinnung von Land ist geschichtlich bedingt konfliktreich
und forderte bereits zahlreiche Menschenleben.
Die Arbeit der Indiopastoral beruht auf folgenden Grundsätzen:
Grundlegende Aufgabe ist, den Guarani - Kaiowá – Indigenen ihr
Territorium, ihr Tekohá, zu sichern. Die Indiopastoral ist erstens in
den Aldeias tätig, um die grundlegenden (Über-) Lebensbedingungen zu
gewährleisten. Sie unterstützt zweitens den Kampf der Indios für
die Gewinnung des ursprünglichen Landes. Sie bietet den Indios, die
ihr gewonnenes Land besiedeln, Unterstützung in der Neuorganisation
des Lebens.
(Die konkrete Arbeit der Indiopastoral wird auf Wunsch der Mitarbeiter
aus Sicherheitsgründen nicht beschrieben).
Weshalb ist die Rückgewinnung des ursprünglich indigenen Landes so
wichtig?
Traditionell ist der Guarani – Kaiowá – Indigene ein Jäger und
Sammler von „Ernte“. „Also braucht er viel Land, um sie zu
treffen: Wurzeln, Früchte, Kräuter, Tiere, Fische, seine Privatsphäre
und seine Lebensfreiheit.[3]“.
Die Kultur des Indigenen ist so verschieden von der der
brasilianischen Restbevölkerung, dass sie nicht integrierbar ist. Es
ist bisher nicht gelungen, die Indigenen zu integrieren und es „…
gelingt uns nicht, sie aufzunehmen; also haben sie sich zurückgezogen
und sich distanziert; daher brauchen sie einen eigenen und definitiven
Raum.“[4]
Der Kampf um Land ist für die Guarani – Kaiowá – Indigenen
existentiell. Land bedeutet für die Guarani – Kaiowá – Indigenen
Identität. Mit dem Verlust des Landes ging ein Identitätsverlust
einher, der bis heute besteht. Es ist zu beobachten, dass die Suizidrate in Gemeinschaften, welche
Aussicht auf Rückkehr auf das ursprüngliche Gebiet hatten, stark zurückging.
Nach Rückkehr auf die traditionellen Gebiete geht die Rate gegen
Null. Die Ermutigung zum Kampf um die Rückgewinnung ist gleichbedeutend mit
einer Ermutigung zum Leben, zur Identitätsfindung. Die Guarani – Kaiowá – Indigenen sind auf der Suche nach der „Erde ohne Leid“:
„… Sie sehnen sich danach, „die Erde zu betreten, auf der ihre ersten Väter geboren und wo deren Reste aufbewahrt sind.“; sie wollen nur dann etwas pflanzen, „wenn sie auf dem Land ihrer ersten Väter sind“; ein Haus ist nur ein wahres Haus, wenn sie es „auf dem Land der ersten Väter bauen“; wer wahrhaftig heilen kann, ist der „Beter, der das Erbe – das Cheru – der ersten Väter hat“; wer sich von diesem historisch – familiären Zusammenleben trennt, „ist ñaña (= schlecht)“; das göttliche Leben ist „Singen und Tanzen ohne Unterlass“; man muss immer in Übereinstimmung mit dem „Rhythmus von Gott“ sein; nicht mehr zu singen und zu tanzen bedeutet, „die Gemeinschaft mit Gott zu verlieren, zu sterben“; die Natur ist schön und stirbt nicht, weil sie „immer singt und tanzt“; der Schmuck der Indigenen dient dazu, „ein Stück dieser Unsterblichkeit mit sich zu tragen“. |
Sie haben eine generelle Sichtweise der Erde ohne Leid, aber ich kann ihre Natur nicht genau beschreiben.“[5].
4.
Kazikenprojekt
Die Kaziken sind die religiösen und traditionellerweise auch politischen Führer der Guarani – Kaiowá – Indigenen. Von den Göttern berufen, geben sie Ratschläge und werden als „Vater“ und „Chef“ anerkannt. Die Indigenen sehen die Kaziken als Personen, die ihnen Orientierung bieten können in ihrer Lage. Durch den Verlust der Tradition des Kaziken während der Militärdiktatur ist das religiöse Wissen der Kaziken verloren gegangen. Die Praxis des Gebets und des Festes war und ist eingeschränkt, so dass nur noch wenige alte Indigene sie kennen und leben.
Zur Stärkung und Wiederbelebung der Kaziken und ihrer Rolle innerhalb
der Gruppe der Indigenen gibt es das Projekt „Kultur und Religion“
der Indiopastoral: Alle drei Monate vereint das Projekt alle Kaziken der Region, um einen Austausch über das traditionelle Wissen zu ermöglichen. Mythologie, Gebete und Tänze werden geübt. Ihre traditionelle Autorität erlangen die Kaziken durch den Bau von traditionellen Gebets- und Versammlungshäusern („Hoga – Pysi“), in denen sie Feste, Gebete, Heilungen und Diskussionen durchführen können. Der Bau wird von der Indiopastoral mit Material unterstützt, die Indigenen stellen ihre Arbeitskraft zur Verfügung. |
Mitarbeiter der Indiopastoral nehmen an den Treffen teil, um Wissen über die Religion der Indigenen zu erhalten. Sie lernen die Kaziken kennen und gewinnen deren Vertrauen, um mit ihnen zusammenarbeiten zu können. Der Einfluss der Kaziken auf die Gemeinschaft der Indigenen ist ein wichtiger Faktor in der Zusammenarbeit mit der Indiopastoral.
Die
„Kapitäne“ sind seit der Militärdiktatur die offiziellen
politischen Führungspersonen in den Aldeias. Wichtige Entscheidungen
können nicht ohne sie getroffen werden, da sie über alle Vorgänge
in der Gemeinschaft der Indigenen entscheiden. Ihre Autorität ist
nicht göttlicher Natur wie die der Kaziken, dennoch erkennen die
Indigenen in der Regel die Autorität der Kapitäne an.
Ohne die Zusammenarbeit mit den Kapitänen kann die Indiopastoral
keine Projekte durchführen. Die regelmäßige Rücksprache und
Diskussion aller Themen, die die Projekte und Pläne der Indiopastoral
und der Indigenen betreffen, ist Aufgabe der Indiopastoral.
Die
Rolle der Frau ist traditionell sehr stark und unabhängig. Viele Männer
sind außer Haus, um zu arbeiten, und daher tagsüber oder über mehre
Tage nicht bei der Familie. Traditionell pflegten die Frauen den
Ackerbau. Ebenso nehmen die Frauen Einfluss auf Entscheidungen der
Gemeinschaft: zwar nicht in den öffentlichen Sitzungen, aber im Gespräch
mit ihrem Ehegatten.
Das Projekt „Frauengruppe“:
Frauen schließen sich in Gruppen von etwa zehn zusammen. Die Gruppe
arbeitet mit dem Prinzip der Reziprozität: der Austausch von Wissen
und Gütern soll möglichst viele Familien erreichen.
Einige Frauen erhielten bereits regelmäßig Stoffreste, als die
Indiopastoral Kontakt zu ihnen fand. Die Stoffe wurden von Hand zu
Decken für den Winter genäht. Die Indiopastoral fördert folgendes:
die Gruppe erhält Nähmaschinen und regelmäßig Stoffreste. Die
Frauen erwerben Kenntnisse über Nähen und geben diese an weitere
Frauen ihrer Gemeinde weiter.
Eine Bedingung für die Zusammenarbeit
mit der Indiopastoral ist der Anbau von Maniok. Von drei genähten Stücken
gehen zwei an die Gruppe, eines an die Näherin. Altkleider aus Spenden werden an die Gruppen verteilt. Diese legen die Preise fest und verkaufen sie in den Aldeias weiter. Ziel ist die Versorgung der Indios mit ausreichender Kleidung. Der erwirtschaftete Gewinn wird von der Indiopastoral verwaltet. Am Ende jedes Monats entscheidet die Gruppe über neue Anschaffungen. Die Gruppe übernimmt 50% der Kosten, die Indiopastoral die andere Hälfte. |
In den Frauengruppen wird die traditionelle Versorgerrolle der Frau gestärkt, die diese Aufgabe wieder übernimmt. Ebenso werden politische Bewegungen und Bedürfnisse der Gemeinschaft diskutiert. Mitarbeiter der Indiopastoral nehmen regelmäßig an Treffen teil.
Die
traditionellen Beschaffungsmöglichkeiten für Nahrung wie Fischfang,
Jagd und Wanderfeldbau bestehen nicht mehr. Mangel- und Unterernährung
ist vor allem bei Kindern festzustellen.
Um diese Ernährungsprobleme anzugehen, entstanden mehrere Projekte:
„Kuh-“, „Maniok-“ und „Gemüsegartenprojekt“.
Das
Kuhprojekt hat die
Versorgung der Indigenen mit Kühen und damit Milch zum Ziel: „Es gab viele unterernährte Kinder in diesen Aldeias; die Mütter bettelten ständig um „Kamby“ (= Milch)“. Ein deutscher Besucher „ … gab mir Geld, um 10 Kühe zu kaufen. So begann das Projekt, das heute 500 Kühe hat.“[6] |
Zunächst erhält eine Indigene ein Kalb leihweise und zieht es auf. Die Erstgeburt (nach ca. 3,5 Jahren) gibt sie an eine andere Indigene ab. Die aufgezogene Kuh geht in ihren Besitz über.Die kuhzüchtenden Indigenen bilden die „Vereinigung der Kuhzüchter“, welche den Umgang mit Kühen und Rindern lernt und lehrt und gemeinschaftlich die Kosten für Salz, Medikamente, Tierarzt und Umzäunung trägt. Zur Deckung dieser Kosten geben die Mitglieder jede dritte Geburt ihrer Kuh an die Vereinigung ab.
Der Anbau von Maniok soll den Grundnahrungsbedarf der Indigenen decken: Maniok ist traditionelles Nahrungsmittel der Guarani – Kaiowá – Indigenen (vgl. Kapitel 2.3.4) und im Siedlungsgebiet leicht anzubauen. Der Anbau von Maniok ist mit anderen Projekten der Indiopastoral verknüpft, da möglichst viele Indigene ihn anpflanzen sollen und er als Zahlungsmittel (trotz geringen Marktpreises) dient. Als Gegenleistung zu Material, welches die Indigenen für Projekte erhalten (Brunnen, Leitungen, Stoff, Nähmaschinen etc.) pflanzen sie Manioksetzlinge, welche von der Indiopastoral zur Verfügung gestellt werden. Ein Teil des Manioks bleibt zur Ernährung in den Aldeias, der Rest wird verkauft. |
Das
Gemüsegartenprojekt soll
die Bereicherung der Ernährung der Indigenen fördern. Das Material
und die Erstsamen und –setzlinge zum Anlegen eines 100-120 m² großen
Gartens liefert die Indiopastoral. Ein Garten wird immer für eine
Gruppe angelegt, zumeist für eine Frauengruppe. Als Gegenleistung
stellen die Indios ihre Arbeitskraft zur Verfügung.
Die
Versorgung der Indigenen mit Wasser ist mangelhaft. Das „Wasserprojekt“ hat zum Ziel, den Indios einen Wasseranschluss in der Nähe der Wohnhäuser zur Verfügung zu stellen. Die Indios schließen sich zu „Wasservereinigungen“ zusammen. Die teilnehmenden Familien verpflichten sich, ihre Arbeitskraft zum Brunnenbau und Leitungsgräben graben zur Verfügung zu stellen, zum Anbau von Maniok sowie zur Instandhaltung der Leitungen, Brunnen, Tanks etc.. Die Vereinigungen erhalten zunächst einen Brunnen (Art Zisterne). Ein Wasserleitungsnetz wird zu den Vereinigungen ausgeweitet, in denen eine indianische autonome Gesundheitsversorgung existiert. Durch die Abgabe des Manioks werden die Installationskosten gedeckt und weiterhin Waschbecken zum Wäschewaschen, Wasservorratsbehälter und Duschen finanziert. |
9.
Gesundheitsprojekt
Die
Gesundheitsversorgung der Indigenen ist prekär.
Die Indiopastoral wirkt auf diesem Sektor primärpräventiv und
indirekt, da andere, zum Teil staatliche Organisationen (FUNASA), den
Sektor der Gesundheit der Indigenen abdecken.
Primärpräventiv handelt die Indiopastoral durch folgendes:
Bei den Kazikentreffen werden traditionelle Heilungsmethoden
thematisiert, welche in den Aldeias eingesetzt werden. Je nach
Krankheit und Zustand des Patienten werden traditionelle
Heilungsmethoden oder Behandlungsweisen der Schulmedizin angewendet.
Wasserversorgung
wird nur in den Aldeias installiert, in denen eine autonome
Gesundheitsversorgung der Indigenen stattfindet, d.h. wo die FUNASA tätig
ist oder indigene „Agentes de Saúde“[7]
anwesend sind. Der Anreiz zur Ausbildung solcher Agenten ist somit
gegeben.
Die Versorgung der Indigenen mit sauberem Wasser in den Aldeias
verhindert Krankheiten.
Hygiene wird von der Indiopastoral in den Aldeias thematisiert: die
Herstellung von Seife aus in den Aldeias vorhandenen Rohstoffen wird
gelehrt.
Im Bereich der Ernährung wird der Konsum von Milch, Gemüsesuppe und
ausgewogener Ernährung forciert: Kuhzucht, Gemüsegarten- und
Maniokanbau und die Zubereitung von nährstoffreichen Mahlzeiten –
vor allem für Kinder – wird gelehrt und materiell unterstützt.
Außerhalb des primärpräventiven Bereichs stellt die Indiopastoral
in akuten Krankheitsfällen Transportmittel zur Verfügung.