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Die einem Einzelnen zugefügte Ungerechtigkeit ist eine Bedrohung für uns alle | ||||||||||||||
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Geschichtlicher Hintergrund und aktuelle Situation: Das
Indio-Projekt, geleitet von der katholischen Organisation CIMI (Conselho
Indigenista Missionario) in Campo Grande, versucht Indios wieder auf
ihrem angestammten Land anzusiedeln. Um die Jahrtausendwende wurden
die Indios in neu errichtete Industrien in die Großstädten gelockt.
Für einen Hungerlohn wurden sie dort als billige Arbeitskraft ohne
Rechte ausgenutzt. Viele dieser Industrien gingen jedoch schon bald
wieder zugrunde. Während dieser Zeit kauften Großgrundbesitzer (Fazenderos)
vom brasilianischen Staat das Land, für das die Indios keine
Besitzurkunde hatten, holzten es ab und bewirtschafteten es. Heute
müssen diese Großbauern den Indios jenen Boden wieder zurückgeben,
aber mittlerweile ist er ausgebeutet. Die Indios haben keine andere
Wahl, als dieses Land zurückzunehmen und sind gezwungen sich in ihrer
Lebensweise vollkommen umzustellen: aus Jägern, Sammlern und Fischern
werden plötzlich Händler, Handwerker und Bauern. Sie müssen völlig
ungewohnte Tätigkeiten verrichten: Maniok pflanzen, Kleintiere (Hühner,
Schweine, Ziegen) aber auch Kühe züchten, mit Nähmaschinen nähen
und lernen zu Wirtschaften. 2
Die CIMI (Conselho Indigenista Missionario): Die CIMI ist eine unabhängige katholische Organisation, die sich in ganz Brasilien für die Rechte der Indios einsetzt. Sie unterstützt die Indios bei der Schaffung einer neuen Lebensgrundlage und hilft zudem in Notsituationen mit Kleidung, Nahrung, Holz, Solarkochern, Nähmaschinen und Brunnen aus.
3 Mein Einsatzgebiet: Im Bundesstaat Mato Grosso
do Sul arbeitete ich drei Monate in einem von vielen Indio-Projekten
der CIMI mit. Das Land Mato Grosso do Sul ist sehr arm. Neben ein paar
reichen Großbauern, die sich mit ihren unglaublich großen
Landflächen diesen Staat teilen, gibt es viele Menschen aus der
Unterschicht. Sie und die Indios versuchen, bei den Grossbauern oder
in den kleinen Städten Arbeit zu finden. Vom Landschaftsbild her
hatte ich immer das Gefühl, dass hier in diesem Staat die Rinder für
die ganze Welt gezüchtet werden. Unzählige Weideflächen, besetzt
mit noch mehr Rindern, waren die einzigen Bilder, die ich als
typisches Merkmal dieses Landes registrieren konnte. Zudem fand sich
hierin eine weitere Erklärung dafür, warum dieses Land heute so
unfruchtbar und heruntergekommen ist. Die
erste Woche meines Aufenthalts war sehr schwierig für mich. Die Hitze
in Brasilien machte mir sehr zu schaffen: Vom Winter in Deutschland
direkt in den Hochsommer! Die
Straßen empfand ich als eine Katastrophe! Der Asphalt war überall
aufgebrochen und tiefe Löcher zehrten das Straßenbild. Die Wege
jenseits der Zivilisation, die wir meistens benutzten, um zu den
Indios zu kommen, waren nicht einmal mehr asphaltiert. Rallyepisten,
wie man sie aus dem Fernsehen kennt, waren die einzige Verbindung
dorthin.
Das
Vorgehen gestaltet sich hierbei folgendermaßen: Ein
Entwicklungshelfer besucht die verschiedenen Indio-Dörfer und
erklärt den Indios sein Vorhaben. Danach werden den einzelnen
Familien Besuch abgestattet. Ca. 50 % der Indiofrauen zeigen dabei
starkes Interesse, in Kleingruppen von 7-8 Frauen mitzuarbeiten und
etwas zum Gruppenwohl zu erwirtschaften. Ziel ist es dabei, die
Gemeinschaft in der Gruppe zu stärken, nicht den einzelnen Indio.
Deshalb wird alles Erwirtschaftete zum Gruppeneigentum erklärt oder
gleichmäßig unter allen verteilt.
Wiederum andere Indios pflanzten Maniok an, um ihn dann später zum Gruppenwohl in der Stadt zu veräußern. Mit dem erwirtschafteten Gruppengeld konnte sich die Gruppe nun überlegen, welche Anschaffung für sie am sinnvollsten wäre. Eine Kuh, ein Pferd, eine Pferdekarosse, eine Nähmaschine, Wasserleitungen, ... . Wir hatten zuvor eine Vereinbarung mit den Indiogruppen getroffen: 50 % bezahlen wir, die anderen 50 % müssen durch Gruppengelder finanziert werden. Dies kam ihnen sehr entgegen, gab ihnen viel Anreiz, zu arbeiten; gab ihnen die Möglichkeit, Ziele auch wirklich zu erreichen. Und... es funktionierte! Man konnte den Unterschied sehen: Viele Indiogruppen hatten sich schon viel erwirtschaftet, hatten mehr “Wohlstand” und mehr “Reichtümer”. Andere Indios, die bisweilen desinteressiert an diesem Projekt waren, sahen diesen Wachstum und wollten nun vereinzelt auch in diesen Gruppen mitarbeiten beziehungsweise neue Gruppen bilden. Aber die Armut der Indios brachte es auch mit sich, daß wir ihnen überlebenswichtigen Grundversorgungsmittel zukommen ließen.
Ende
Januar, durfte ich dann für 4 Tage einen Kurs zur Fortbildung von
Indianerlehrern kennenlernen. Der Kurs, der von der CIMI geleitet
wurde und sich über 6 Wochen hin zog, legte großen Wert darauf, das
Schulniveau der Indios wesentlich anzuheben und dem brasilianischen
Schulniveau anzugleichen. Wenn man bedenkt, das Brasilien das
zweitschlechteste Schulwesen der Welt hat, ist das auch das mindeste,
was man tun muß. Der Lehrplan für die Indioschulen sah vor, dass man
die Indiokinder erst in ihrer Muttersprache Guarani und danach in
portugiesisch lehren soll. Der Kurs legte zudem noch sehr viel Wert
darauf, den Indiolehrern die nötigsten Wissenserkenntnisse und
pädagogischen Grundlagen zu vermitteln. Viele Indiolehrer waren
“nur” auf dem Niveau eines Hauptschul- oder Realschulabschlusses
stehengeblieben. Für
den restlichen Aufenthalt meines Fremdpraktikums, war es mir und
meinem Anleiter wichtig, dass ich neben der Begleitung und Mitarbeit
in den vielen verschiedenen Projekten auch selbst Verantwortung für
ein eigenes Projekt übernehmen würde. In Anbetracht der
erbärmlichen Lebenssituation und den vielen hungrigen Kindern in den
Indiodörfern kam mir die Idee, ein Gemüsegartenprojekt in
verschiedenen Indiogruppen zu beginnen. Ich besuchte also einige
Gruppen und suchte nach Interessenten. In Gesprächen versuchte ich
ihnen die Notwendigkeit des Gartenbaus für ihre Zukunft zu
vermitteln. Mit zahlreichen Beispielen vom Suppen kochen mit Gemüse,
dem preiswerten Anlegen eines Gartens, dem möglichen Verkauf der
Ernte, der Unabhängigkeit durch eigene Lebensmittel, der sicheren
Zukunft durch den Anbau, der gesunden Ernährung durch Gemüse, usw.
versuchte ich die verschiedensten Gruppen zu motivieren. Ich
wollte ihnen einen Sinn in dieser Arbeit und einen Weg zeigen, um sich
weiterzuentwickeln und so den Aufstieg in eine höhere Klasse zu
schaffen. Die Tatsache, dass man sich sogar in der "ersten Welt", in Deutschland, für sie interessierte, gab ihnen viel Hoffnung und Zuversicht.
Nach den drei Monaten Aufenthalt hatte ich die Indios in die wichtigsten Grundlagen des Gartenbaus eingelernt. Viele hatten den Sinn dieser Arbeit erkannt und spielten mit dem Gedanken, nach meiner “Gartenschule” bei ihrer eigenen Familie einen Garten anzulegen. Zwei andere Mitarbeiter der CIMI beschlossen, zukünftig dieses Gartenprojekt bei den Indios fortzuführen. Mein
Anleiter, Alido, meinte verzweifelt in meiner letzten Arbeitswoche:
“Nein, nein, nein, tudo mundo querem horta”, was soviel bedeutet
wie: “Alle Indios wollen einen Gemüsegarten”. Wobei ihm die Frage
zu schaffen machte, wie man in allen Indiogruppen mit den wenigen
Arbeitskräften der CIMI einen Gemüsegarten anlegen könnte. |