Die einem Einzelnen zugefügte Ungerechtigkeit ist eine Bedrohung für uns alle

 

 


WISSENSWERTES über BRASILIEN:

Mit 8,5 Mio. km² ist Brasilien fast 24-mal so groß wie Deutschland. Von den ca. 190 Mio. Einwohnern (Stand 2010) sind mehr als ein Drittel unter 15 Jahre alt. Die Analphabetenrate sank im Jahr 2000 auf 13,6 % (wobei im Nordosten noch immer Regionen mit einer Rate von 65% existieren). Das monatliche Durchschnittseinkommen beträgt zwischen 500 und 1000 Reias (Stand 2001) (das sind ca. 200 – 400 €/ Feb. 2004), knapp 30% verdienen weniger als 300 RS (ca. 100 €/ Feb. 2004). Eine fünfköpfige Familie benötigt z.B. allein für Lebensmittel etwa 150 € im Monat. Der Anteil der reichsten 10% am Gesamteinkommen liegt bei 45,7% (1999). (Quelle **1)

Als die Flotte des Portugiesen Pedro Cabral vor über 500 Jahren, am 22. April 1500, im heutigen Bundesstaat Bahia an Brasiliens Küste landet, sieht die Besatzung außer ein paar freundlichen Ureinwohnern lediglich Wälder. Doch bald entdecken die europäischen Eroberer den Reichtum an Rohstoffen im Landesinnern.Tausende von portugiesischen Siedlern strömen in das ferne Land, um dessen unerschöpfliche Reichtümer im Auftrag ihres Königs zu erschließen und auszubeuten. Zunächst wird das wertvolle Brasil-Holz der Namensgeber des Landes und der Exportschlager Nummer eins. Es erzielt mit seiner roten Farbe auf den Märkten der Alten Welt Rekordpreise.

In der Mitte des 16. Jahrhunderts sind sich Portugal und die finanzstarken Holländer einig, den wachsenden Zuckerbedarf Europas fortan aus brasilianischem Zuckerrohr zu decken. Riesige Plantagen werden angelegt. Aus Afrika werden Sklaven zwangsrekrutiert, die jetzt die harte Feldarbeit verrichten - mindestens drei Millionen, so schätzt man. Auch in den folgenden Jahrhunderten bestimmt vor allem die Nachfrage in Europa, was die Brasilianer produzieren und ausführen. In zyklischer Folge sorgen der Goldrausch in den heutigen Bundesstaaten Minas Gerais, Goias und Mato Grosso, der Kaffee-Boom und schließlich bis zum Beginn des vorigen Jahrhunderts die Blütezeit des brasilianischen Kautschuks für regelrechte Wirtschaftswunder. Aber nur Wenige profitieren davon. Der größte Teil des Volkes muss für Hungerlöhne in den Plantagen schuften und hat bis in unsere Gegenwart von dem unermesslichen Reichtum Brasiliens nichts, überhaupt nichts.

Im September 1822 erfolgt die Unabhängigkeitserklärung des Landes durch den im brasilianischen Exil lebenden portugiesischen Kronprinzen Pedro II. Man erwartet davon eine allgemeine Wende der herrschenden Zustände im fünftgrößten Land der Erde. Aber selbst nach der offiziellen Abschaffung der Sklaverei im Mai 1888 wird der Einfluss der übermächtigen Großgrundbesitzer nicht beschnitten - im Gegenteil: Die Abhängigkeit vieler Landarbeiter von ihren Grundherren ist eine Weiterführung der Sklaverei auf einer anderen Ebene.

In den letzten Jahrzehnten haben Politik und Wirtschaft das Land auf das Niveau westlicher Industrienationen angehoben. Doch von der boomenden Wirtschaft profitiert der Großteil der Bevölkerung nur wenig. Durch überzogene riesige Projekte und die Herrschaft internationaler Großkonzerne sowie eine exportorientierte Produktion ohne Berücksichtigung der Grundbedürfnisse des eigenen Volkes klafft die Schere zwischen Arm und Reich immer weiter auseinander. 

Die weitere Konzentration des Großgrundbesitzes in den Händen Weniger verstärkt die Landflucht. Es kommt zu einem rasanten Anwachsen der Städte, durch die wuchernden Favelas (Elendsgebiete). Millionen von Brasilianerinnen und Brasilianern tragen die Last dieser wirtschaftlichen Schieflage. Das führt zu struktureller Gewalt. Die Favellas werden durch Drogenbarone und sonstige Kriminelle kontrolliert. 

Ein Großteil der katholischen Kirche hat sich mit der "Option für die Armen" auf die Seite der sozial Benachteiligten gestellt. Sie öffnete sich der Befeiungstheologie und hat einen entscheidenden Anteil am jetzt beginnenden Demokratisierungsprozess, der auch die Situation der Menschenrechte erheblich verbessert. Doch immer wieder gibt es Rückschläge durch brutales Vorgehen skrupellos kapitalistisch eingestellter Kreise. Die zusammengeschmolzene indigene Bevölkerung hat gemeinsam mit den sogenannten Landlosen in den armen Gebieten am meisten unter den ungerechten sozialen Verhältnissen zu leiden. Mit nur noch ca. 300 000 Personen sind die Indigenen, die ehemaligen Besitzer des Landes, eine winzige Minderheit geworden.

**1 Institut für Brasilienkunde: Brasilien – Daten und Informationen. Mettingen 1999-2004